Am Samstag, den 10. Februar 1979 meldete das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgendes: „Sophie Lissitzky-Küppers, die Witwe des berühmten russischen Konstruktivisten El Lissitzky, ist, wie erst sehr spät bekannt geworden ist, vor einigen Wochen im Alter von 87 Jahren in Nowosibirsk gestorben“. Zwei Monate hatte die Nachricht aus dem fernen Sibirien gebraucht um durch den Eisernen Vorhang und an die westdeutsche Öffentlichkeit zu gelangen. Die Kunsthistorikerin Lissitzky-Küppers war eine große Förderin der Avantgarde, insbesondere hat sie die Rezeption ihres Mannes durch die Herausgabe eines Werkverzeichnisses maßgeblich geprägt und ermöglicht. Sie hatte El Lissitzky in den 1920er Jahren in Hannover kennengelernt und war ihm nach Moskau gefolgt. Nach dem Tod dieses Malers, Architekten, Grafikers und Fotografen, wurde Sophie Lissitzky-Küppers zu Beginn der 1940er Jahre nach Nowosibirsk verbannt. Sie liegt auf dem Zaeltsovsky-Friedhof von Nowosibirsk, wo sie bis zu ihrem Lebensende blieb, begraben.
In jüngster Zeit hat es in Nowosibirsk immer wieder Initiativen lokaler Historiker, Architekten, Kunsthistoriker und Verleger gegeben, dieses bedeutende Kapitel deutsch-russischer Kunstgeschichte aufzuarbeiten und ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Schließlich finden sich in der Stadt am Ob eine ganze Reihe hervorragender konstruktivistischer Bauten, an denen der gestalterische Reformgedanke, das Emanzipationspotenzial und der Aufbruchsgeist der frühen sowjetischen Avantgarde in exemplarischer Weise plastisch geworden ist.
Mit dem virtuellen Ausstellungprojekt „demonstrationsraum“ möchte das Goethe-Institut Nowosibirsk zur weiteren Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe des Konstruktivismus anregen. Präsentiert wird eine an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig entwickelte App, die die Geschichte von El Lissitzkys berühmtem Ausstellungsraum „Kabinett der Abstrakten“ anhand historischer und aktueller Fotografien rekonstruiert. Drei Wochen lang werden Besucher die Möglichkeit haben, das „Kabinett der Abstrakten“ im Modus der augmented reality zu erfahren und dabei selbst Teil der Ausstellung zu werden.
Mein großer Dank geht an Philipp Sack und das Graduiertenkolleg „Das fotografische Dispositiv“ an der HBK Braunschweig. Sie hatten die Idee, den „demonstrationsraum“ nach Nowosibirsk zu bringen. Der Stiftung Niedersachsen danke ich für die Förderung, dem Projektraum „Art El“ und der Nowosibirsker Staatlichen Akademie für Architektur, Design und Kunst für die großartige Zusammenarbeit bei Ausstellung und Rahmenproramm.
Ihre Stefanie Peter
Institutsleiterin, Goethe-Institut Nowosibirsk
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>>> Katharina Sykora: Vorwort—Palimpsest und Reprise. El Lissitzkys Hannoveraner Kabinett der Abstrakten virtuell gewendet
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